Gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr.-Ing. Heinz Klopfer ZDI, Hamm
Die Verwendung von Gipsprodukten beim Innenausbau neuer und bestehender Gebäude ist seit langem üblich. Wie alle Baustoffe haben auch Gipsprodukte ein Eigenschaftsspektrum, das sie für bestimmte Anwendungen besonders vorteilhaft, für andere dagegen weniger empfehlenswert oder sogar als ungeeignet erscheinen lässt.
Aus dem bautechnischen Standardwerk von K. Krenkler:
Chemie des Bauwesens, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1980
habe ich die treffende Charakterisierung der Eigenschaften des Gipses aus bautechnischer Sicht auf der folgenden gutachterlichen Stellungnahme wiedergegeben:
Eigenschaften des Gipses
Infolge des Porenvolumens von ca. 50 % ist trockener Gipsputz gut wärmedämmend. Die relativ großen Poren bewirken eine schnelle Wasseraufnahme und Abgabe, d.h. Gips ist atmungsaktiv. Gipsbaustoffe sind raumbeständig. Alle Gipsbaustoffe sind für den Brandschutz geeignet wegen des Kristallwassers (21 %), das im Brandfall verdampft und kühlend wirkt (85). Gipsbaustoffe können unmittelbar nach Trocknung mit Anstrichen, auch Ölfarben versehen werden, im Unterschied zum Kalk und Zement, die stark alkalisch sind.
Da man mit Gips (a-Halbhydrat und Anhydrit) dem Zementstein nahekommende Festigkeiten erreichen kann und der erhärtete Gips – im Vergleich zum Zement – chemisch sehr beständig ist, erscheint es unverständlich, warum der Gips als Baustoff für tragende Bauteile keine Bedeutung hat. Der Grund liegt darin, dass Gips nicht wasserbeständig ist, er löst sich in Wasser und zwar 2,5 g/l. Das hat zur Folge, dass die an sich gute Festigkeit des trockenen Gipses entscheidend verringert wird; schon 1 % Feuchtigkeit im Gips setzen die Festigkeit um ca. 60 % im Gips herab (s. Bild 61). Dies hängt damit zusammen, dass auch durch geringe Wassermengen die Kristalle an ihrer Oberfläche angelöst werden und dadurch die Verzahnung gelockert wird. Zementmörtel wird demgegenüber durch selbst hohen Wassergehalt kaum in seiner Festigkeit beeinflusst.
Die, wenn auch geringe Wasserlöslichkeit des Gipses hat zur Folge, dass sich in dauernd durchfeuchteten Gipsbauteilen eine gesättigte Gipslösung bildet, die in dem porösen Baustoff nach unten sinkt und dort infolge Übersättigung wieder auskristallisiert, was einen Kristalldruck zur Folge hat und das Abfallen von Gipsschichten, bekannt als sog. „Faulen“ des Gipses bewirkt. Gips ist deshalb für Duschräume, Schwimmhallen, Bäder, insgesamt für Räume mit hoher Dauerfeuchtigkeit, wenig geeignet. Für Räume, die dauernd trocken bleiben oder wo nur zeitweise eine hohe Luftfeuchtigkeit auftritt, sind Gipsbaustoffe gut geeignet.
Gipswasser und feuchter Gips fördern die Rostung des Stahls im Gegensatz zum Zement, der rostschützend wirkt (s. Rostschutz der Bewehrung). Gips ist ein Betongift. Dem Zement wird zur Regulierung der Erstarrungszeit eine unter der kritischen Grenze liegende Menge Gips zugesetzt. Weiterer Gipszusatz bewirkt Treiben und Zerstörung des Betons (s. Gipstreiben und Betonkorrosion). Gips sollte deshalb auf Betonbaustellen nicht vorhanden sein.
Für die Anwendung von Gips in Schwimmhallen und ähnlichen Räumen ist die Intensität der Belastung durch flüssiges und gasförmiges Wasser entscheidend. Dafür haben sich die Begriffe:
Nassraum
Feuchtraum
eingeführt. Unter einem Nassraum wird ein solcher verstanden, in dem oft flüssiges Wasser oder Kondensat auftritt, also z.B. Schwimmhallen, Saunas, Produktionshallen der Lebensmittelindustrie usw.. Ein Feuchtraum ist durch erhöhte Luftfeuchtigkeit und nur selten und kurzfristig durch Flüssigwasserbelastung gekennzeichnet. Feuchträume sind häusliche Küchen und Bäder.
Aus diesen Definitionen folgt, dass Gipsprodukte in Nassräumen nicht eingesetzt werden dürfen. Die Anwendung in Feuchträumen wird von der Mehrzahl der Bautechniker unter bestimmten Bedingungen als möglich angesehen, von einer Minderzahl allerdings abgelehnt.
Bei der Anwendung von Gipskartonplatten in Nass- und Feuchträumen ist einerseits wie bei Gipsputzen und Calciumsulfat-Estrichen die Erweichung des Gipses durch die hygroskopische Wasseraufnahme zu bedenken. Die hygroskopische Wasseraufnahme wird durch sog. Sorptionsisothermen quantitativ beschrieben. Auf Anlagenseite 2 habe ich solche Sorptionsisothermen von Baustoffen wiedergegeben. Man erkennt, dass bei einer vorgegebenen Luftfeuchte in Gips nur wenig Wasser eingelagert wird, jedoch umgekehrt eine geringe Wassermenge hohe Luftfeuchten und damit Tauwassergefahr in den Gipsporen erzeugt. Andererseits können Gipskartonplatten infolge ihrer relativ geringen Dicke bei Erweichung Biegeverformungen erleiden, die dann weitere Schäden nach sich ziehen können.
Die Hersteller von Gipskartonplatten liefern auch sog. Feuchtraumplatten, die definitionsgemäß in Feuchträumen, jedoch nicht in Nassräumen eingesetzt werden dürfen. Feuchtraumplatten sind Gipskartonplatten, welche durch eine Imprägnierung wasserabweisend ausgerüstet sind, so dass die Wasseraufnahme bei kurzzeitiger Flüssigwasserbelastung deutlich kleiner ausfällt. Bei langfristiger Flüssigwasserbelastung oder langfristig hoher Luftfeuchteeinwirkung versagt die Imprägnierung.
Das Verhalten von Gipsbaustoffen in Feuchträumen wird natürlich auch beeinflusst von der Feuchte im Untergrund und von den Deckschichten auf den Gipsschichten. Bei der Feuchtebelastung vom Untergrund her ist besonders an die Baufeuchte zu denken, d.h. an den erhöhten Wassergehalt der Baustoffe in den ersten Jahren nach der Erstellung eines Bauwerks. Bei den Deckschichten auf den Gipsschichten ist in erster Linie an deren Schutzwirkung gegen Flüssigwassereinwirkung zu denken. Fliesenbeläge bieten in dieser Hinsicht wegen der vielen Fugen nur einen unzuverlässigen Schutz, es sei denn, die Fliesen wurden auf einer Dichtungsschlämme oder einem Dichtkleber verlegt.